Lernentwicklungsgespräch anstelle von Zwischenzeugnis

Bereits seit vorletztem Schuljahr gab es bei unserer Grundschule nicht mehr das typische Zwischenzeugnis. Dieses wurde durch das Lernentwicklungsgespräch ersetzt. 

Das Zeugnis, also das reine Papier, ist dann eine Zusammenfassung dieses Gespräches. 

Und was soll ich sagen? Ich bin begeistert.

Ich habe Beides erlebt, das klassische Zwischenzeugnis und auch das Lernentwicklungsgespräch.

Das klassische erste Zwischenzeugnis meiner Tochter

In der ersten Klasse kam meine große Tochter mit dem ersten Zeugnis ihres Lebens, dem Zwischenzeugnis der ersten Klasse nach Hause und weinte ganz bitterlich.

Im ersten Moment war ich so überfordert, dass ich zunächst nicht wusste, wie ich handeln sollte. Ich konnte mir nicht erklären, dass ein Kind bereits bei dem ersten Zeugnis in der Grundschule so traurig sein konnte. 

Zuvor haben wir nicht groß darüber gesprochen, ich wollte ihr damals keine Angst machen oder Druck aufzubauen. 

Tja, damit lag ich leider falsch. 

Der Druck kommt trotzdem, von seitens der Schule, wenn vielleicht auch nicht absichtlich herbei geführt.

Es stellte sich heraus, dass meiner Tochter zuvor erzählt wurde, je länger der Text ist, der neben dem jeweiligen Fach steht, umso schlechter sei das Zeugnis. 

Das nahm sie sich sehr zu Herzen, da sie meinte, der Text auf ihrem Zeugnis sei zu lang. 

Wirklich etwas rauslesen konnte sie selbst ja nicht, da der Beurteilungstext viel zu kompliziert geschrieben war, als dass es ein gerade mal siebenjähriges Mädchen verstehen hätte können. Zumal sie nach erst einem halben Jahr Schule im Lesen noch nicht so gefestigt war, als das sie den Taxt auch nur annähernd verstehen hätte können.

Bei diesem ersten Zwischenzeugnis standen keine Noten als Zahl neben dem jeweiligen Fach, sondern wirklich nur ein relativ langer Textbaustein, den die Lehrkraft eingefügt hatte.

Dieser Textbaustein war zudem nicht in kindgerechter Sprache formuliert, so dass selbst wenn sie sich den Zeugnistext komplett durchgelesen hätte, sie es nicht verstehen hätte können.

Selbst ich als Erwachsene und durchaus der deutschen Sprache mächtig, musste an einigen Stellen überlegen, welche Note mit dem jeweiligen Text gemeint ist.

Nachdem ich sie getröstet hatte, setzten wir uns gemeinsam hin und gingen zusammen Satz für Satz durch. Ich versuchte ihr jeden Satz in kindgerechte Sprache zu übersetzen. Danach freute sie sich über ihr Zeugnis und zeigte es stolz den Großeltern.

Dennoch hatte dieser erste Zeugnistag in ihrem Leben etwas schöner verlaufen können und bereits zu diesem Zeitpunkt fragte ich mich, ob man diese ganze Zeugnisgeschichte nicht für Kinder schöner gestalten könnte.

Das Lernentwicklungsgespräch – LEG

Als dann bei unserer Grundschule das Lernentwicklungsgespräch eingeführt wurde, fiel mir ein großer Stein vom Herzen. 

Hier schätzen sich zunächst die Kinder selbst ein, mit Hilfe eines Fragebogens. Anschließend findet ein Lehrer- Schüler Gespräch statt.

Bei dem Gespräch sind die Eltern zwar anwesend, jedoch nur im Hintergrund. 

Das eigentliche Gespräch findet wirklich zwischen Lehrer und Schüler statt. So fühlt sich das Kind ernst genommen und es wird klar besprochen und erklärt, was genau mit jedem einzelnen Punkt gemeint ist. Zum Schluss wird ein gemeinsames Ziel festgelegt. Dadurch, dass das Kind nun Mitspracherecht hat und den auf dem Papier geschrieben Text versteht, fühlt es sich ernst genommen als eigene Persönlichkeit.

Dieses Jahr lief dies coronabedingt etwas anders ab. Wir als Eltern haben meiner Tochter erklärt, was die einzelnen Punkte auf dem Lernentwicklungsbogen bedeuten und sie hat sich dann selbst anhand von Smileys eingeschätzt.

Da der gesamte Bogen 65 Fragen enthält, haben wir die einzelnen Fragen auf zwei Tage aufgeteilt, weil ich einfach das Gefühl hatte, dass meine Tochter sich nach der Hälfte nicht mehr konzentrieren kann.

Danach haben wir dann den ausgefüllten Bogen an die Lehrerin geschickt.

Anschließend wurde ein Termin für das Lernentwicklungsgespräch mit der Lehrkraft online vereinbart. 

Auch hier waren wir Eltern zwar anwesend, aber das eigentliche Gespräch fand dann zwischen der Lehrerin und unserer Tochter statt.

Bei jedem Punkt wurde genau darauf eingegangen, warum die Lehrerin sie wie einschätzt und es wurde über die einzelnen Abweichungen gesprochen.

Am Ende des Lernentwicklungsgespräches wurde auch dieses Jahr ein gemeinsames Ziel festgelegt. Hier gab die Lehrkraft meiner Tochter drei verschiedene Ziele zur Auswahl, von denen sie eines wählen durfte.

Natürlich hat mein Kind das Ziel gewählt, welches am leichtesten für sie umsetzbar ist.

Da meine Tochter hier „häufiger  im Unterricht melden“ gewählt hat, musste ich schmunzeln. 

Dies ist natürlich gerade zum jetzigen Zeitpunkt während des Homeschoolings besonders einfach zu machen.

Besonders interessant fand ich, dass meine Tochter sich auch dieses Jahr zum wiederholtem Male fast bei jeder Frage ein bisschen schlechter selbst eingeschätzt hat, als die Lehrerin.

Als wir das erste Mal ein Lernentwicklungsbogen zum Ausfüllen hatten, war ich der festen Überzeugung, dass sie sich selbst besser einschätzen würde.

Aber die Lehrerin erzählte mir, dass der Großteil der Kinder sich meist schlechter einschätzen, als es der Wirklichkeit entspricht.

Umso größer ist dafür dann die Freude, wenn die Lehrkraft ihre Sicht der Dinge und ihre Einschätzungen den Kindern mitteilt.

Auch dieses Jahr war es so, dass meine Tochter sich sehr nach dem Gespräch gefreut hat.

Und trotz aktuellem Homeschooling hat sie hieraus wieder etwas Motivation schöpfen können.

Ein weiterer Vorteil an dem Lernentwicklungsgespräch für mich als Mutter ist, dass auf dem abschließendem Bogen, den das Kind dann auf Zeugnispapier überreicht bekommt auch eine Note in Form von einer Zahl steht.

Auch wenn ich im Allgemeinen nicht besonders viel von der Benotung in unserem Schulsystem halte, kann ich an dieser Note, die bei dem jeweiligen Fach über den ganzen Fragen steht, erkennen, auf welchem Stand mein Kind ungefähr ist.

Allein anhand der Fragen könnte ich es vielleicht nicht so gut erkennen, denn wenn ein mittlerer Smiley angekreuzt ist, bei der Frage „ich verwende Fachbegriffe (auch lateinische Fachbegriffe) korrekt“, wüsste ich selbst nicht, welche Gesamtbeurteilung dies nun auf das Fach Deutsch hat.

Nachtrag: Nicht immer bei allen Klassen und Schulen steht die Note dabei, aber diese kann man dann sehr einfach in dem Gespräch erfragen.

Was ist besser: Lernentwicklungsgespräch oder klassisches Zwischenzeugnis?

Diese Frage kann ich für meinen Teil ganz klar mit Lernentwicklungsgespräch beantworten.

Seit dem wir das Lernentwicklungsgespräch haben, habe ich zu keinem Schulhalbjahr mehr in traurige Kindergesichter sehen müssen.

Bei meiner großen Tochter, die sich mittlerweile auf der weiterführenden Schule befindet gibt es im Übrigen auch kein Zwischenzeugnis mehr im klassischen Sinn.

Hier haben wir bereits im November den ersten „Zwischenstand“ erhalten. Dies war eine Tabelle mit allen bisherigen Noten.

Zum Halbjahr hätte es wohl wieder so einen Zwischenstandsbericht gegeben, dieser wurde aktuell aber auf Grund der Coronasituation erstmal bis auf Weiteres verschoben.

Dennoch ist uns aber der aktuelle Stand klar, da wir ja wissen, welche Noten sie bisher geschrieben hat. 

Aus diesem Grund sollte es auch bei dem nächsten Zwischenstandsbericht keine unschönen Überraschungen und vor allem traurigen Gesichter geben.

Ich weiß, dass es noch nicht an allen Schulen das Lernentwicklungsgespräch gibt.

Wie sieht es bei Dir aus? 

Habt ihr noch das klassische Zwischenzeugnis, oder gibt es bei Euch auch das Lernentwicklungsgespräch?

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